EuGH bestätigt EU-Mindestlohnrichtlinie – mit Einschränkungen
Der Europäische Gerichtshof hat am 11. November 2025 entschieden, dass die rechtliche Grundlage für europäische Vorgaben zum Mindestlohn grundsätzlich mit dem EU-Recht vereinbar ist. Die Absicht der EU, einheitliche Mindeststandards für Löhne zu setzen und sozialpolitische Ziele wie Sicherung der Erwerbsfähigkeit und die Förderung von Tarifverhandlungen zu unterstützen, wurde ausdrücklich bestätigt.
Allerdings hat das Gericht festgestellt, dass einige konkrete Vorschriften aus der Richtlinie zu weit gehen, zum Beispiel Berechnungsparameter, wie das Verhältnis zum Medianlohn verwendet und wie Mindestlöhne an wirtschaftliche Kennzahlen angepasst werden müssen. Das würde den gesetzgeberischen Spielraum der Mitgliedstaaten zu stark begrenzen. Besonders betroffen sind Vorgaben, die einen Mindestlohn an die Entwicklung von Produktivität oder an eine feste prozentuale Quote binden.
Folgen für die Mitgliedstaaten
Die Staaten der EU können nach diesem Urteil weiterhin selbst entscheiden, nach welchen Kriterien und auf Basis welcher Berechnungsgrundlagen sie den Mindestlohn festsetzen. Sie sind nicht verpflichtet, den Empfehlungen der Europäischen Kommission zu festen Prozentsätzen oder zu konkreten Kennzahlen zu folgen. Mindestlöhne dürfen außerdem automatisiert nach einem Index steigen und, falls der Index fällt, auch wieder sinken.
Das Gericht hat zugleich festgehalten, dass die EU den Mitgliedsstaaten vorschreiben kann, Tarifverhandlungen zu fördern, damit möglichst viele Beschäftigte unter den Schutz von Tarifverträgen fallen. Gleichzeitig bleibt aber die Hoheit für die Festsetzung des Mindestlohns weitgehend bei den nationalen Gesetzgebern.
Bedeutung für Politik und Gesellschaft
Die Entscheidung stärkt die nationale Entscheidungsfreiheit im Bereich der Mindestlohnentwicklung. Die Mitgliedsländer erhalten mehr Freiraum bei der Gestaltung ihrer Gesetze, ohne dabei völlig auf verbindliche europäische Standards verzichten zu müssen. Das Ziel, existenzsichernde Löhne in allen EU-Ländern zu fördern und Einkommensungleichheiten zu verringern, bleibt erhalten – die konkrete Ausgestaltung ist aber flexibel möglich.
Das EuGH-Urteil vom 11.11.2025 zur EU-Mindestlohnrichtlinie hat wichtige Implikationen für die Unternehmenscompliance, insbesondere bei der Einhaltung arbeitsrechtlicher Vorgaben und der Dokumentation von Mindestlohnregelungen.dgb+1
Auswirkungen auf die Unternehmenscompliance
Unternehmen in der EU sind weiterhin verpflichtet, die nationalen Mindestlohnregelungen sorgfältig einzuhalten und nachzuweisen, da die EU-Richtlinie zwar in Teilen entschärft wurde, aber als Rahmen bestehen bleibt. Die Vorgaben zu Mindestlöhnen und zur Förderung von Tarifverträgen gelten fort, so dass Unternehmen auch künftig sicherstellen müssen, dass sie gesetzliche Mindestlöhne korrekt zahlen und dokumentieren. Die Stärkung der Tarifbindung in Branchen mit geringer Vertragsabdeckung ist ein zentraler Punkt, auf den sich Unternehmen einstellen sollten, z. B. durch interne Compliance-Checks und Dokumentation der Lohnstruktur.
Flexibilisierung und Prüfung der Lohnstruktur
Das Urteil gibt den Mitgliedsstaaten und damit den Unternehmen mehr Spielraum, wie der Mindestlohn konkret berechnet und angepasst wird. Unternehmen sollten prüfen, ob nationale Kriterien für die Mindestlohnbemessung verändert werden und ob Anpassungsmechanismen (zum Beispiel Indexierung) zu potenziellen Senkungen oder Erhöhungen führen können.
Falls die Tarifbindung im Betrieb oder der Branche unter 80 Prozent liegt, können zusätzliche nationale Aktionspläne und Maßnahmen erforderlich werden. Für die Compliance-Abteilungen bedeutet das: Es könnten neue Berichtspflichten und Kontrollen zur Einhaltung der Tarifbindung entstehen.
Kurzum: Das Urteil stärkt die nationale Flexibilität, doch Unternehmen tragen weiterhin klare Verantwortung für die Einhaltung gesetzlicher Mindeststandards und eine sorgfältige arbeitsrechtliche Compliance.
Wenn Sie Fragen zur Mindestlohn-Thematik und Compliance haben, sprechen Sie uns gerne an.






