Unternehmen müssen durch die EU-Anti-Korruptionsrichtlinie mit höheren Anforderungen an ihr Compliance Management System rechnen.
Auch im September 2025 ist die EU-Anti-Korruptionsrichtlinie immer noch nicht endgültig beschlossen, im Sommer konnten sich die EU-Staaten nicht auf einen gemeinsamen Text einigen. Stattdessen laufen weiterhin Trilogverhandlungen zwischen EU-Kommission, Rat und Parlament. Insbesondere Deutschland, Österreich, Ungarn und Italien sehen noch Nachbesserungsbedarf.
Inhalt und Ziele der EU-Anti-Korruptionsrichtlinie
Der Richtlinienentwurf sieht erstmals Mindeststandards für die Definition und Sanktionierung von Korruptionsdelikten sowohl für den öffentlichen als auch den privaten Sektor vor. Es geht um eine Harmonisierung bisher fragmentierter EU-Gesetze und die Einführung umfassender, einheitlicher Strafbestimmungen. Dazu zählen zum Beispiel:
- Bestechung und Bestechlichkeit im öffentlichen und privaten Sektor,
- unerlaubte Einflussnahme,
- Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme.
Streitpunkte und Hürden
Die größten Streitpunkte liegen bei den Strafrahmen, Verjährungsfristen und in der Umsetzung der Immunitätsregelung einzelner Mitgliedsländer, z.B. wenn parlamentarische Verfahren zur Immunitätsaufhebung verlangt werden. Deutschland, Österreich und andere Länder streben Nachbesserungen an und sehen Bedenken vor allem bei der Vereinbarkeit der EU-Standards mit nationalen Strafvorschriften.
Die beiden Länder haben im EU-Ministerrat einen sogenannten Prüfvorbehalt gegen die gesamte Richtlinie eingelegt, wodurch das Verfahren blockiert oder verzögert wird. Insbesondere Deutschland spricht sich dagegen aus, „Amtsmissbrauch“ als übergreifenden Straftatbestand auf EU-Ebene einzuführen, betrachtet dies als zu weitreichend. Zudem lehnt die Bundesregierung die Verpflichtung ab, dass jeder EU-Mitgliedstaat eine umfassende nationale Strategie zur Korruptionsbekämpfung erarbeiten muss. Auch eine verpflichtende statistische Dokumentation und Meldung von Korruptionsfällen an Brüssel trifft in Berlin auf Widerstand.
Was sich bei der EU-Anti-Korruptionsrichtlinie getan hat
Die polnische Ratspräsidentschaft bemühte sich bis Ende Juni 2025 um einen Verhandlungserfolg, inzwischen hat Dänemark den Vorsitz übernommen und die Gespräche gehen weiter. Dennoch wurde die EU-Anti-Korruptionsrichtlinie seit Sommer insbesondere mit Blick auf Strafmaß, Definition und Sanktionierung von Korruption sowie Präventions- und Ermittlungsmaßnahmen weiterentwickelt.
Der Richtlinienvorschlag sieht nun erstmals EU-weit einheitliche Vorgaben für Korruptionsstraftaten, Mindeststrafen sowie neue und strengere Strafverfolgungsmaßnahmen vor.
- Die Definitionen von Korruptionstatbeständen wie Bestechung, Vorteilsannahme und unerlaubte Einflussnahme wurden geschärft, und es sollen künftig alle EU-Mitgliedstaaten dieselben Verhaltensweisen gleichermaßen unter Strafe stellen.
- Vorgesehen sind erhöhte Mindesthöchststrafen für natürliche Personen auf zwei bis vier Jahre Freiheitsstrafe und die Möglichkeit, Unternehmen Sanktionen wie Tätigkeitsverbote, Auflösung juristischer Personen oder Einsetzung eines Compliance-Monitors aufzuerlegen.
- Die Regelungen zur Justizbehinderung wurden erweitert; darunter fällt nun explizit auch die Einflussnahme über Mittelspersonen, was neue Strafbarkeitstatbestände schafft.
- Präventionsmaßnahmen wurden gestärkt: Mitgliedstaaten müssen unabhängige Korruptionspräventionsstellen einrichten und mehr in Aufklärungsmaßnahmen investieren.
Ein endgültiger Beschluss steht noch aus, wird aber für 2026 erwartet, da die Richtlinie Teil der EU-Strategie zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Korruption ist. Die finale Fassung ist weiterhin Gegenstand intensiver politischer Diskussion.
Bedeutung und Konsequenzen für Compliance Management Systeme
Mit der EU-Anti-Korruptionsrichtlinie müssten Mitgliedsstaaten neue, umfassende Präventionsmechanismen schaffen, unter anderem Einrichtungen zur Korruptionsprävention mit ausreichenden Ressourcen sowie umfassende Compliance-Standards für Unternehmen.
Die Richtlinie wird also voraussichtlich tiefgreifende Veränderungen für Compliance-Management Systeme in Unternehmen mit sich bringen. Künftig werden angemessene interne Kontrollmechanismen und Compliance-Strukturen nicht nur als präventive Maßnahme gegen Korruption betrachtet, sondern auch als entscheidende Faktoren, die bei der Strafzumessung mildernd berücksichtigt werden. Dadurch entsteht für Unternehmen ein starker Anreiz, ihre Compliance-Systeme zu stärken und weiterzuentwickeln, um hohe Geldstrafen und andere konsequente Sanktionen wie Berufsverbote oder den Ausschluss von öffentlichen Aufträgen zu vermeiden.
Die Richtlinie legt zudem den Fokus auf einheitliche Regeln zur Berücksichtigung von Milderungsgründen, die Compliance-Maßnahmen nach dem Aufdecken von Fehlverhalten und freiwillige Selbstanzeigen einschließen. Das bedeutet für Unternehmen erhöhte Rechtssicherheit, da der Umgang mit Compliance in der gesamten EU klar geregelt wird und damit Unsicherheiten verringert werden.
In der Praxis müssten Unternehmen ihre bestehenden Compliance-Programme kritisch prüfen und gegebenenfalls verbessern, etwa durch detaillierte Risikoanalysen, optimierte Whistleblower-Systeme, schnellere und gründlichere interne Untersuchungen sowie konsequente Umsetzung von Korrekturen. Darüber hinaus wird die Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden stärker in den Vordergrund rücken. Insgesamt stärkt nachhaltig die Compliance-Kultur innerhalb der europäischen Wirtschaft.
Was passiert bei Verstoß gegen die EU-Anti-Korruptionsrichtlinie?
Für Unternehmen sind besonders hohe Geldbußen vorgesehen, die sich an einem Prozentsatz des weltweiten Umsatzes orientieren: mindestens 3 bis 5 Prozent des Gesamtumsatzes oder mindestens 24 bis 40 Millionen Euro. Weitere mögliche Unternehmenssanktionen: Ausschluss von öffentlichen Aufträgen, Gewerbeuntersagungen, Rücknahme von Genehmigungen, gerichtliche Überwachung. Diese Maßnahmen zielen auf eine erheblich schärfere und EU-weit harmonisierte Korruptionsbekämpfung ab, die auch über bisherige nationale Regelungen wie in Deutschland hinausgeht. Die Richtlinie sieht die Ausweitung der Haftung von Unternehmen nicht nur für unmittelbare Korruptionshandlungen, sondern auch bei Aufsichtspflichtverletzungen vor, was eine umfassendere Verantwortung der Führungspersonen sicherstellen soll.
Wenn Sie sich schon jetzt über die Auswirkungen auf ihr Compliance-Management-System insbesondere auf Risikoanalysen und weitere Präventionsmaßnahmen informieren möchten, stehen wir Ihnen gerne beratend zur Seite.