EU einigt sich auf einheitliche Korruptionsregeln
Die EU hat sich Anfang Dezember erstmals auf einheitliche strafrechtliche Regeln gegen Korruption geeinigt – ein Schritt, der das bisher oft zersplitterte Bild innerhalb der Mitgliedstaaten grundlegend verändern sollte. Die neue Richtlinie definiert Korruptionsdelikte EU-weit, legt Mindeststrafen fest und zwingt die Staaten zu gemeinsamen Standards in Politik und Wirtschaft.
Was die Einigung zur Korruption in der EU vorsieht
Kern des Kompromisses ist eine Richtlinie, die eine gemeinsame Definition zentraler Korruptionsdelikte wie Bestechung im öffentlichen und privaten Sektor, Veruntreuung und Behinderung der Justiz einführt. Damit reagiert die EU auf Fälle, in denen Straftaten bislang je nach Land unterschiedlich bewertet oder gar nicht verfolgt wurden.
Zugleich einigt sich die EU auf Mindeststandards für Strafen: Je nach Schwere sollen Freiheitsstrafen von mindestens drei bis fünf Jahren möglich sein, hinzu kommen empfindliche Geldbußen für Unternehmen, die sich am weltweiten Umsatz orientieren. Auch Amtsinhaber, die sich der Korruption schuldig machen, müssen damit rechnen, ihr Mandat oder ihre Funktion EU-weit nach vergleichbaren Kriterien zu verlieren.
Mehr Druck auf Politik und Unternehmen
Auffällig ist, dass die neuen Regeln ausdrücklich sowohl für die öffentliche Verwaltung als auch für die private Wirtschaft gelten. Damit rücken nicht nur klassische Fälle politischer Bestechung in den Fokus, sondern auch Korruptionsrisiken in Konzernen, Mittelstand und regulierten Branchen.
Für Unternehmen bedeutet dies mittelfristig schärfere Compliance-Anforderungen, etwa beim Umgang mit Drittmitteln, Vergaben oder Lobbykontakten. Vorgesehen ist zudem, dass jedes EU-Land spezialisierte Stellen zur Korruptionsbekämpfung einrichtet und systematisch erhebt, welche Sektoren besonders anfällig sind.
Transparenz und nationale Strategien
Politisch brisant ist der Ausbau der Transparenz: Künftig sollen EU-weit Daten zu Korruptionsfällen jährlich in leicht zugänglicher Form veröffentlicht werden. Dies verschafft Politik, Zivilgesellschaft und Medien neue Einblicke in Muster und Trends – und erhöht zugleich den öffentlichen Druck auf Regierungen, Ermittler und Unternehmen.
Zudem verpflichtet die Richtlinie alle Mitgliedstaaten, nationale Anti-Korruptions-strategien zu erarbeiten und regelmäßig zu aktualisieren. Diese Strategien müssen unter Beteiligung der Zivilgesellschaft und relevanter Behörden entstehen, was die Debatte über gute Regierungsführung in vielen Hauptstädten neu beleben dürfte.
Auswirkungen auf Unternehmen und Compliance
Die Einigung auf einheitliche Korruptionsgesetze verschärft den Druck auf Unternehmen, ihre Compliance-Systeme zu professionalisieren und EU-weit an ein höheres Sanktionsniveau anzupassen. Korruption wird damit noch stärker zu einem zentralen Risiko, das in Governance, Risikomanagement und interne Kontrollen integriert werden muss.
Schärfere Haftung und Sanktionen für Unternehmen
Die Richtlinie sieht ausdrücklich die strafrechtliche Haftung juristischer Personen vor, wenn Führungskräfte oder Beschäftigte im Unternehmensinteresse Korruptionsdelikte begehen. Unternehmen müssen damit rechnen, dass Korruptionsfälle nicht nur als individuelles Fehlverhalten, sondern als Organisationsversagen gewertet werden.
Vorgesehen sind hohe, am weltweiten Jahresumsatz orientierte Geldbußen, ergänzt um Nebenfolgen wie Ausschluss von öffentlichen Aufträgen, Entzug von Lizenzen oder gerichtliche Aufsicht über Unternehmen. Für international tätige Konzerne wird es daher wirtschaftlich riskanter, mit uneinheitlichen oder nur formal existierenden Compliance-Strukturen zu arbeiten.
Anforderungen an Compliance-Programme
Die EU verankert, dass wirksame Compliance- und Ethikprogramme bei der Sanktionierung mildernd berücksichtigt werden können, etwa durch interne Kontrollen, Hinweisgebersysteme und systematische Schulungen. Das setzt einen Anreiz, Anti-Korruptions-Compliance nicht nur auf dem Papier zu verankern, sondern nachweislich im täglichen Geschäft zu leben.
Konkret müssen Unternehmen ihre Richtlinien zu Geschenken, Einladungen, Sponsoring, Lobbying und Drittparteien-Risiken (z.B. Agenten, Vertriebspartner) überprüfen und vereinheitlichen. Erwartet werden zudem regelmäßige Risikoanalysen, dokumentierte Prüfprozesse bei öffentlichen und privaten Vergaben sowie eine klare Verantwortung auf Ebene von Vorstand und Aufsichtsorganen.
EU-weiter Harmonisierungsdruck und „High-Water-Mark“-Ansatz
Weil Korruptionsdelikte nun EU-weit einheitlich definiert sind, sinkt die Möglichkeit, nationale „Schlupflöcher“ zu nutzen; Unternehmen müssen sich an einem durchgängig hohen Standard orientieren. Insbesondere grenzüberschreitend tätige Gruppen werden dazu übergehen müssen, konzernweit eine einheitliche, eher strengere „High-Water-Mark“-Compliance-Linie zu fahren.
Gleichzeitig verbessert die Richtlinie die Kooperation zwischen nationalen Behörden, OLAF, Europäischer Staatsanwaltschaft und Europol, was die Entdeckungswahrscheinlichkeit für Korruptionsfälle erhöht. Mit der jährlichen Veröffentlichung von Korruptionsdaten und nationalen Strategien steigt zudem der Reputationsdruck, sodass Versäumnisse in der Unternehmenscompliance schneller sichtbar und sanktioniert werden können.
Einordnung: Meilenstein mit Lücken
Aus Sicht vieler Beobachter ist die Einigung ein Meilenstein, weil sie verhindert, dass einzelne Länder bestimmte Taten schlicht straflos stellen können. Zugleich verweisen Kritiker darauf, dass die Mitgliedstaaten sich gegen noch weitergehende Verpflichtungen zur Offenlegung von Korruptionsfällen gewehrt haben und damit eine Chance auf noch mehr Transparenz verpasst wurde.
Rechtlich ist der Deal vorläufig: Das Europäische Parlament und der Rat müssen die Einigung formell bestätigen, bevor die Richtlinie in Kraft tritt. Danach beginnt der eigentliche Härtetest – die zügige und ambitionierte Umsetzung in nationales Recht, die darüber entscheidet, ob aus den neuen EU-Regeln tatsächlich mehr Integrität im Alltag von Behörden und Unternehmen wird.
Lesen Sie zu diesem Thema auch unseren Beitrag: Deutschland verzögert EU-Anti-Korruptionsrichtlinie
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