Greenhushing: Wenn Unternehmen aus Angst vor Greenwashing schweigen
In einer Welt, die zunehmend Wert auf Nachhaltigkeit legt, überrascht ein neuer Trend: Greenhushing. Statt ihre Umwelt- und Klimaschutzbemühungen offensiv zu kommunizieren, hüllen sich immer mehr Unternehmen in Schweigen. Was steckt hinter dieser Zurückhaltung und welche massiven Auswirkungen hat Greenhushing auf die Unternehmenscompliance und das Vertrauen der Stakeholder?
Unter Greenhushing versteht man das bewusste Verschweigen oder die stark zurückhaltende Kommunikation unternehmenseigener Nachhaltigkeitsinitiativen und -ziele. Es ist quasi das Gegenteil des vieldiskutierten Greenwashings, bei dem Firmen sich umweltfreundlicher darstellen, als sie tatsächlich sind. Beim Greenhushing dagegen existieren möglicherweise echte Bemühungen, sie werden aber nicht oder kaum publik gemacht.
Greenhushing: Warum Unternehmen schweigen
Die Gründe für Greenhushing sind vielschichtig und oft eine direkte Reaktion auf die gestiegenen Anforderungen und die kritische Öffentlichkeit im Bereich der Nachhaltigkeitskommunikation:
- Angst vor Greenwashing-Vorwürfen: Die Furcht, bei der Kommunikation von Nachhaltigkeitsleistungen Fehler zu machen und des Greenwashings bezichtigt zu werden, ist ein Haupttreiber. Unternehmen wollen negative Schlagzeilen und Reputationsschäden um jeden Preis verhindern.
- Furcht vor unzureichenden Ergebnissen: Unternehmen befürchten, dass ihre Anstrengungen als nicht weitreichend genug kritisiert werden oder dass sie selbstgesteckte Ziele nicht erreichen und dafür öffentlichkeitswirksam zur Rechenschaft gezogen werden.
- Hohe Komplexität und Kosten: Insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen können die Kosten und der Aufwand für anerkannte Zertifizierungen und die datengestützte, unangreifbare Kommunikation ihrer Nachhaltigkeitsperformance eine Hürde darstellen.
- Vermeidung von Detaildiskussionen: Manche Unternehmen scheuen den detaillierten öffentlichen Diskurs über ihre Lieferketten, Produktionsprozesse oder die genaue Wirkung ihrer Produkte und Dienstleistungen, um kritischen Nachfragen auszuweichen.
- Abwarten auf regulatorische Klarheit: Angesichts sich entwickelnder gesetzlicher Vorgaben warten manche Unternehmen lieber ab, bis die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung und -werbung eindeutiger sind.
Auswirkungen auf die Unternehmenscompliance: Riskantes Schweigen
Obwohl Greenhushing oft aus einer Vorsichtsmaßnahme heraus entsteht (ironischerweise oft aus Angst vor Non-Compliance bei der Kommunikation), hat es selbst erhebliche negative Folgen für die Compliance eines Unternehmens, insbesondere mit Blick auf aktuelle und zukünftige Anforderungen.
- Erschwerte Erfüllung von Berichtspflichten: Regulierungen wie die EU Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) fordern umfassende, transparente und geprüfte Nachhaltigkeitsberichte. Wer seine Daten und Fortschritte intern „versteckt“ (Greenhushing betreibt), wird massive Schwierigkeiten haben, diese verpflichtenden Berichte zu erstellen. Das Nicht-Berichten wird dann selbst zum Compliance-Verstoß.
- Verschärfte Prüfung durch die Green Claims Directive: Die kommende EU Green Claims Directive zielt darauf ab, Greenwashing durch klare Vorgaben für Umweltaussagen zu bekämpfen. Unternehmen müssen ihre Behauptungen wissenschaftlich fundiert belegen. Wenn die EU Green Claims Directive in Kraft tritt, müssen Unternehmen ihre Umweltaussagen vorab prüfen und belegen lassen. Wer bisher Greenhushing betrieben hat, dem fehlen die Übung, die internen Prozesse und die Datenhistorie, um solche Claims überhaupt regelkonform machen zu können. Man kann nur kommunizieren (und belegen), was man auch verfolgt und dokumentiert hat.
- Probleme bei der Lieferketten-Compliance: Gesetze wie das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) oder die kommende EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) erfordern Transparenz und Kommunikation über Nachhaltigkeitsaspekte in der Lieferkette. Greenhushing erschwert die Kommunikation von Anforderungen an Lieferanten und die Berichterstattung über die eigenen Due-Diligence-Maßnahmen.
- Erosion von Transparenz und Vertrauen: Stakeholder, von Konsumenten über Investoren bis hin zu potenziellen Mitarbeitenden, fordern zunehmend Transparenz. Schweigen kann als Mangel an Engagement, als Verheimlichung oder gar als Desinteresse interpretiert werden und somit das Vertrauen untergraben. Compliance wird heute breiter als nur die reine Gesetzesbefolgung gesehen; sie schließt auch die Erfüllung legitimer Stakeholder-Erwartungen ein.
Greenhushing mag auf den ersten Blick als sichere Strategie erscheinen, um Kritik und Greenwashing-Vorwürfen aus dem Weg zu gehen. Langfristig untergräbt es jedoch das Vertrauen, behindert den Fortschritt in Sachen Nachhaltigkeit und birgt erhebliche Compliance-Risiken, insbesondere angesichts der sich verschärfenden regulatorischen Landschaft (CSRD, Green Claims Directive).
Unternehmen sind daher gut beraten, eine proaktive, ehrliche und transparente Nachhaltigkeitskommunikation anzustreben. Dies erfordert eine solide Datenbasis, klare Ziele und die Bereitschaft, auch über Herausforderungen offen zu sprechen. Anstatt zu schweigen, sollten Firmen ihre tatsächlichen Bemühungen authentisch darstellen und so ihrer Verantwortung gegenüber Umwelt, Gesellschaft und ihren Stakeholdern gerecht werden.
Compliance Officer Services bietet Beratung rund um Nachhaltigkeits-Compliance, -reporting und -strategie. Möchten Sie mit uns die Problematik des Greenhushings und dessen Auswirkungen auf Ihre Compliance diskutieren und lösen, stehen wir gerne zur Verfügung.